Denn so sehr hat
Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn
glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.Johannes
3,16
Krieg der Religionen Politik, Glaube & Terror im Zeichen der Apokalypse
Ein beachtliches Werk, das die beiden Autoren dem interessierten Leser hier vorlegen. Führten die beiden Vorgänger-Bücher "Der Schatten des Dalai Lama" (1999) zu einem Aufschrei in der Esoterik-Szene und "Hitler – Buddha – Krishna" (2002) etwas abgemildert zu ähnlichen Turbulenzen, weil entgegen gängiger Forschung die Nazi-Diktatur auf Religionsebene betrachtet wurde, ergibt sich mit dem neuesten Werk ein differenzierteres Bild. Keinesfalls ist der Kurs ein anderer geworden und die vorgelegten Recherchen - nunmehr zu Judentum, Christentum und Islam - werden nicht weniger Wellen schlagen. Aber alle drei Bände im Zusammenhang eines Gesamtwerkes betrachten zu können, ermöglicht einen völlig anderen Blickwinkel auf die Intention der Autoren und führt in der Beurteilung der einzelnen Titel dadurch ebenso zu vollkommen anderen Ergebnissen. Als Gesamtbild ergibt sich keine Diffamierung mehr gegenüber einer speziellen Religion, sondern der Blick auf ein zeitgenössisches umfangreiches Forschungsgebiet zur notwendigen Kritik an den gefährlichen Schatten der gegenwärtigen Religionen wird eröffnet, und dies ist ein durchaus wichtiger Beitrag aktueller Kultur- und Politikreflektion.
Der Titel "Krieg der Religionen" meint nicht explizit, dass Religionen in Krieg miteinander getreten wären, sondern bezieht sich auf die fundamentalistischen Kräfte innerhalb der Religionen, die sehr wohl mehr denn je im Krieg miteinander stehen; dass dies möglich werden konnte, ist allerdings in den Grundformen der religiösen Texte bereits implantiert. Allenorts setzen sich heutzutage wieder die Glaubensvorstellungen durch, wir befänden uns in der Zeit der nahenden Apokalypse. Dieses Wort ist ursprünglich ein Begriff der monotheistischen abrahamitischen Religionen und tauchte erstmals im Christentum als "Apokalypse des Johannes" auf. Eigentlich hanelt es sich um ein griechisches Wort für "Offenbarung" oder "Enthüllung", weswegen zu Recht der entsprechende Text des Johannes auch "Johannes-Offenbarung" genannt wird. Aber durch das, was in diesem Text enthalten ist, hat sich der heute allgemein benutzte Apokalypse-Begriff als Verständnis für den absoluten chaotischen Umbruch durchgesetzt und wird nunmehr auch in anderen als christlichen Religionen im selben Sinne verwandt. Im Vordergrund des apokalyptischen Krieges der Religionen stehen derzeit auf politischer Weltebene lediglich die drei genannten "Weltreligionen" im Mittelpunkt der Ereignisse. Alle sind sie vom Kampf "Gut" gegen "Böse" besessen, und die Aussagen eines Osama Bin Laden unterscheiden sich in ihrer frommen Maske nicht von denen eines George Bush oder anderer christlichen Fundamentalisten. Die beiden Autoren zeigen auf, wie austauschbar das scheinbar "Gute" ist und wie es von jedem beliebig benutzt werden kann – selbst von den extremsten Gewalttätern.
In Deutschland werden die Bezüge auf Religion in der Politik glücklicherweise noch nicht geteilt, aber dadurch auch viel zu wenig beachtet. Dabei kann sich all dies schneller ändern, als viele in Unkenntnis der gegenwärtigen Realität vermuten würden. Nach neuesten Statistiken vom April 2005 glauben 63 % der Amerikaner, dass die Bibel das "Wort Gottes" ist und wörtlich zu verstehen sei und nur 24 % glauben dies nicht. Ihnen geht es darum, ob Satan oder Gott die Oberhand behält, und das "Böse" sind nicht nur die berüchtigten Diktatoren, sondern vor allem Liberale, Sozialisten, Kommunisten, Homosexuelle und Feministinnen. "Die feministische Agenda kümmert sich nicht um Frauenrechte. Es handelt sich hierbei um eine sozialistische, antifamiliäre Bewegung, die Frauen dazu auffordert, ihre Ehegatten zu verlassen, ihre Kinder zu töten, Hexerei zu betreiben, den Kapitalismus zu zerstören und Lesben zu werden". Sie sind fest davon überzeugt, dass der Anti-Christ eine neue Religion gründet, und machen dies an der aus der Hippie- und Protestbewegung der in den 60er Jahren entstandenen New-Age-Szene fest. Dieser werden Häresie, Paganismus, Okkultismus, Dämonenglaube und Teufelsdienst vorgeworfen. Tatsächlich ist es ja auch so, dass aus dem New Age mittels Anleihen bei den etablierten Glaubensrichtungen Judentum, Christentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus gepaart mit Astrologie, Spiritismus, Magie, Tiefenpsychologie, Naturheilkunde und Drogenexperimenten eine neuer "synkretistischer Religionsmix" entstanden ist. Aus dem religiösen Feminismus vor allem, der sich offen zur Hexentradition bekennt und seine eigenen Riten praktiziert, ist spätestens zur Jahrtausendwende die aufblühendste "neue" Religionsform erstanden, die fast als einzige der derzeitigen Religionen täglich Zuwächse statt der Austrittswellen verbuchen kann. Fast ganz Amerika schaut zudem argwöhnisch bis verachtend auf Europa, denn die hiesigen Werte, wo kaum noch jemand in die Kirchen geht, sind vollkommen andere. Eine Mehrheit der Amerikaner glaubt, dass hier der Anti-Christ geboren wird, und leitet diese Ansicht aus der "Offenbarung" ab. Dieser hat als "Tier" zehn Hörner und zehn Könige, die noch nicht zur Herrschaft gelangt sind, und jene stehen für das "Alte Europa", das vor der Erweiterung zehn Mitgliedsstaaten hatte. Die zwölf Sterne in der europäischen Flagge sind die corona stellarum duodecim (die Zwölf-Sternen-Krone) des apokalyptischen Weibes. Wo in der herkömmlichen Kirche diese Kirche die Braut Gottes ist, ist das satanische Gegenstück die Hure Satans. Diese ist von der Sonne bekleidet und schwanger, sie steht mit den Füßen auf dem Mond und trägt den Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Europa hat seinen Namen von der kretanischen Zeusgeliebten Europa, und da in der EU-Ästhetik diese auch auf dem Stier abgebildet wird, sei das der Beweis aus der Offenbarung: "Dort sah ich eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das über und über mit gotteslästerlichen Namen beschrieben war". Das alles habe Tradition: Schon in der Hymne Europas, Friedrich Schillers "Ode an die Freude", vertont von Beethoven in seiner 9. Symphonie, wird die heidnische Göttin besungen, die durch magische Mittel alle Menschen zu einer anti-christlichen Bruderschaft vereinigen wolle. Da diese als Hure Babylons bezeichnet wird, sieht man die Sprachenvielfalt Europas auch als Zeichen der in der Bibel verwendeten Sprachverwirrung zu Babel.
Linke Christen machen – müsste ich in diesem austauschbaren Chaos eine Realität wählen, wäre mir diese Sichtweise viel sympathischer – dagegen all das in den USA selber aus. Sie sehen im globalen amerikanischen Kapitalismus die große Hure und setzen in der Offenbarung für die Bezeichnung "Babylon" das Wort "Amerika" ein: Die Nation Babylon (Amerika) ist von Wassern umgeben. Die Völker der Welt müssen das Meer überqueren, um mit ihr Handel zu treiben. Sie wird von Menschen verschiedener Rassen bewohnt, einem Völkergemisch, das dem amerikanischen melting pot entspricht. Sie ist militärisch äußerst mächtig, sie ist arrogant, stolz und überheblich. Die anderen Nationen der Erde werden von ihr beherrscht. Sie ist die größte ökonomische Macht, so dass die Kaufleute der Erde um sie weinen, als ihr Untergang bevorsteht, weil niemand mehr ihre Waren kauft. Durch ihre ökonomische Macht kontrolliert sie die Welt. Ihre Einwohner leben in Überfluss und Luxus, und so fort – alles Bibelverweise.
Einig ist man sich aber darüber, dass die Schlacht der Apokalypse im Nahen Osten stattfinden wird, und diese Ansicht wird von den Juden, den Christen wie den Mohammedanern geteilt. Begonnen - in der Wahrnehmung dieser Art - habe alles mit dem Attentat auf das World Trade Center am 11.9.2001, obwohl das in diesem Zusammenhang recht eigentümlich anmutet: Angegriffen wurden ja keine Symbole des Christentums, sondern solche des Kapitalismus und der profanen westlichen Gesellschaft. Wenn es um einen religiösen Angriff ging, dann höchstens gegen das System der Gottlosigkeit, wie es alle fundamentalistischen Vertreter des Islam bis dahin auch vertreten hatten. Interessant war die Reaktion US-Amerikas, das sich sofort auf den Iran und Saddam Hussein einschoss, obwohl der mit den Attentaten nachweislich wohl am wenigsten in Zusammenhang zu bringen war. Dass dies dennoch in solcher Weise geschah, hat aus religiöser Betrachtung mit der ältesten überlieferten "apokalyptischen" Geschichte des Kampfes Gut gegen Böse zu tun – dem babylonischen "Enuma Elish", wo Marduk (das Gute geordnete Männliche) gegen seine Großmutter Tiamat (das Böse chaotische Weibliche) antrat. Die späte "Hure Babylon" aus der Johannes-Offenbarung ist noch diese Tiamat. Der babylonische König Nebukadnezar II. (604 – 561 v. Chr.) erbaute einen Marduk-Tempel und eroberte Jerusalem. Als dessen Wiedergeburt und Nachfahre sah sich Saddam Hussein, der, wie auch schon Alexander der Große, Babylon (Bagdad) wieder zum Großreich aufbauen wollte und auch als Eroberer von Jerusalem in die Geschichte einzugehen gedachte. Er setzte alles ein, um die enorme kulturelle Erbschaft der ältesten Zivilisation wiederaufleben zu lassen, und veranstaltete ritualisierte Feste, auf denen man die archaischen Zivilisationen des Zweistromlandes feierte. Stein für Stein ließ er das berühmte Tor der Ischtar wieder aufbauen, versehen mit der Inschrift "Ischtar – die Überwinderin der Feinde". Ischtar war die babylonische Kriegsgöttin, stand aber im kultischen Dienst des Marduk. Hussein war als Inkarnation Nebukadnezars gleichzeitig auch Gott Marduk selbst. Sein Slogan "Mutter aller Schlachten" aus dem ersten Golfkrieg war eine Metapher aus den "Hymnen an die Ischtar". Die Amerikaner sprachen danach von der "Mutter aller Bomben", die sie einzusetzen drohten, was glücklicherweise nicht geschah. Mit dem Bezug auf die alten Traditionen suchte Hussein nach einem Mythos, der die Spaltung des Landes zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden überwinden konnte. Mit seiner "Babylonisierung" des Landes wollte er eine irakische Identität jenseits aller ethnischen Unterschiede, jenseits des Islams und jenseits der sozialistischen Baath-Partei erreichen, die sich von der übrigen arabischen Welt unterschied. Für die christlichen amerikanischen Fundamentalisten war aber genau das das Schreckensbild. Babylon und Nebukadnezar verkörpert für sie den Anti-Christen. Nebukadnezar war der Weltherrscher und Satan bezeichnet man ja auch als "Fürsten der Welt". Schon für Bush sen. war Saddam Hussein deswegen die Inkarnation des leibhaftigen Teufels. Und dessen Festnahme 2003, als man ihn aus seinem Bunkerversteck holte, war für Bush jun. eine höchst religiöse Angelegenheit. Durch ihre Bibelinterpretationen ist das Wichtigste im gegenwärtigen "heiligen Krieg" die Auseinandersetzung mit Jerusalem als gutem und Babylon (Irak) als bösem Sinnbild – alles andere Islamische steht weit hinten an. Sie erwarten die Wiederkehr des Messias, und nur durch solche Mythen konnte auch ein Arnold Schwarzenegger überhaupt seine Wahlen zum Gouverneur von Kalifornien gewinnen, denn er spielte in mehreren Filmen einen apokalyptisch-messianischen Helden, der mit übermenschlicher Kraft und brutalster Gerechtigkeit das Böse vernichtet und dem Guten zum Sieg verhilft. Die Mehrheit der Amerikaner wartet auf den "Christus mit der Knarre". Für das hiesige christliche Denken ist das sehr entfernt vom Pazifismus des Neuen Testaments, aber in den Evangelien gibt es genügend Stellen, die Derartiges anklingen lassen; spätestens in der Johannes-Offenbarung hat der dort prophezeite blutrünstige Messias nichts mehr zu tun mit dem leidenden, sich selbst aufopfernden und auferstandenen Christus der Evangelien. Die ganze Propaganda für die im Krieg befindlichen Soldaten ist auf den wirklichen Kampf gegen den Teufel ausgerichtet. Selbst die bekannt gewordenen Folterungen stehen in diesem Zusammenhang, die von fundamentalistischen christlichen Generälen angeordnet waren. Was die islamische Welt so sehr in Aufregung versetzte, war genau das, was auch bezweckt war. Es waren religiöse Demütigungspraktiken an den Gefangenen, die gezwungen wurden, dem Islam und Allah abzuschwören, Schweinefleisch zu essen, Alkohol zu trinken (was nach dem Koran verboten ist) und Jesus Christus dafür zu danken, dass sie nicht noch mehr gefoltert werden. Im Grunde geht es dem amerikanischen Militär im ganzen Krieg und der Praxis an den Gefangenen um einen Exorzismus. Die christlichen Gebete der Amerikaner sind auch nicht mit unseren stillen privaten Gebeten vergleichbar. Dort sind es inszenierte Massengebete mit zunehmend aggressiven Inhalten. Die Soldaten der Marines im Irak-Krieg haben ein Mini-Gebetbuch in der Tasche ("Die Pflicht des Christen"), worin es Seiten zum Herausreißen gibt, die an das Weiße Haus geschickt werden und in denen vorgedruckt vermerkt ist, dass der Soldat für George W. Bush bete. "Ich habe mich verpflichtet für Sie zu beten, für Ihre Familie etc.". Christliche Fundamentalisten sind auch der Ansicht, dass Bush nicht durch Wahlen an die Macht kam, sondern direkt durch das Eingreifen Gottes. Der Islam kämpfte stets gegen "Satan Amerika" als Symbol der Gottlosigkeit. Erst nach 2001 erkannten die Impulsgeber, dass sie es mit einem religiös geleiteten christlichen Gegner zu tun haben, der offensiv einen Krieg gegen den Islam begonnen hat. Da es offensichtlich im Zentrum im Grunde noch immer um den Kampf um die heilige Stadt Jerusalem geht, wurde ein realer Krieg der Religionen offenbar perfekt. Nunmehr wird in den islamischen Ländern lauthals und ohne Hemmung zum Krieg der Religionen aufgerufen, und Amerika ist noch vor Israel der gemeinsame Feind Nr. 1. Und dem fundamentalchristlichen Amerika ist das nur recht so. Allah ist für sie sowieso nur ein Mondgott von Mekka, was das Emblem der islamischen Mondsichel zeigt. Er ist ein anderer Gott als Jehova, und Mohammed war aus ihrer Sicht ohnehin nur ein von Dämonen besessener Pädophiler, der zwölf Frauen hatte, und was er lehrte, sei keine friedliche Religion. Mohammed gilt als erster Terrorist. Entsprechende christlich-fundamentalistische Internetseiten rufen genau wie Araber inzwischen zur Tötung jedes Mohammedaners auf, mit den schändlichsten, abscheulichsten Beschreibungen, wie dabei vorzugehen sei. Araber seien Abschaum und die Moscheen sollten niedergebrannt werden. Auf Mekka und Medina sollen Atombomben fallen, und sogar der US-Senator Guy W. Glodis verteilte 2003 Flugblätter, in denen stand, muslimische Extremisten sollten mit den Innereien getöteter Schweine begraben werden.
Amerika führt keine Befreiungskriege im arabischen Raum, sondern missionarische Kreuzzüge, um die Mohammedaner zum Christentum zu bekehren. Leidtragende im Irak sind dann allerdings auch die dortigen einheimischen christlichen Kirchen, die unter Sadam Hussein Religionsfreiheit genossen und keine Konflikte mit der muslimischen Mehrheit hatten. Seit dem Einmarsch der amerikanischen Soldaten werden aber auch diese nunmehr von den Untergrundorganisationen attackiert – ihre Kirchen werden in die Luft gesprengt und einheimische Christen werden wegen ihres Glaubens ermordet. Die armenischen, assyrischen und chaldäischen Religionsgemeinschaften stehen im Visier der islamischen Fundamentalisten und sind auf der Flucht ins Ausland. Dabei waren alle einheimischen Christengemeinschaften aus dem Nahen und Mittleren Osten gegen den Präventivschlag der Amerikaner. Die orthodoxe Kirche im Heiligen Land gab feierlich bekannt, George Bush, Donald Rumsfeld, Tony Blair und dem britischen Außenminister Jack Straw sei es verboten, die Geburtskirche in Bethlehem zu betreten. Die irakischen Christen verglichen nach dem Fall von Sadam Hussein die US-Besetzung ihres Landes mit der Kreuzigung Christi. Vor allem die katholische Kirche aber machte unter Papst Johannes Paul II. Front gegen den Irak-Krieg. Bei Demonstrationen vor dem Weißen Haus wurden hochrangige Religionsvertreter wie der römisch-katholische Bischof Thomas Gumbleton festgenommen. Ausschlag für die Wut in der islamischen Welt ist das offensichtliche Verhalten der Amerikaner, die im berüchtigten Folterknast Guantamano Koranausgaben vor den Augen der Inhaftierten die Toiletten herunterspülen. Nach der Scharia werden solche Religionsverbrechen mit der Todesstrafe geahndet, da Gott selbst wegen solcher Verunglimpfung höchstpersönlich attackiert werde. Diese Respektlosigkeiten führen zu mehr Unmut in der arabischen Welt als die Demütigungen der Folterskandale von Abu Ghraib. Entschuldigungen der US-Regierung werden für Lügen gehalten, was auch wahrscheinlich so ist, denn die Verantwortlichen an der Spitze der Befehlskette - wie Drei-Sterne-General William Boykin (Gotteskrieger, Islamhasser und Teufelsaustreiber) und Donald Rumsfeld - bleiben in ihren Machtpositionen. Aber auch der Präsident George Bush selbst teilt deren Ansichten, dass es ein Kampf gegen das Böse – den Islam – sei. Der US-Psychiater und Gewaltforscher Robert Jay Lifton hält dessen Strategie, die Welt in Gut und Böse einzuteilen, in Kombination mit der fundamentalistischen Religiösität als wiedererweckter Christ und dem Supermacht-Syndrom für eine der gefährlichsten Kombinationen, denen die Welt gegenübersteht. Seit 2001 benutzt Bush den Begriff Kreuzzug, was für die islamische Welt Osama Bin Laden bestätigt, der bereits in seinem Statement zum 9/11 vom "neuen jüdischen Kreuzzug, der von dem großen Kreuzzügler Bush unter der Flagge des Kreuzes geführt wird" sprach. Die Gründung Groß-Israels mit Jerusalem als Hauptstadt geht nach Ansicht der fundamentalistischen Christen wie auch der Juden dem zweiten Kommen Christi bzw. dem Messias voraus. Das schweißt die Christen mit der radikalen zionistischen Siedlerbewegung für ein Zweckbündnis zusammen. Sie wollen dafür ein Israel, das sich von der Sinai-Wüste bis zum Euphrat-Fluss erstreckt und das heutige Israel, den Libanon, die Westbank von Jordanien, wesentliche Teile von Syrien, Irak und Saudi-Arabien umfasst. Die Nazis unter Hitler, welche das auserwählte Volk in das auserwählte Land zurücktrieben und somit halfen, die bedeutendste Prophezeiung zu erfüllen, werden deswegen auch als ein Instrument in der Hand Gottes gewertet. Auch im Islam sei man der Ansicht, dass der Holocaust – das Abschlachten der Juden durch Nazis – eine der bösen Taten der Juden selbst war, denn es sei von jüdischen Führern geplant und Teil der eigenen Politik gewesen. Unter den Christen wird nun ein zweiter Holocaust unter den Juden erwartet, dem zwei Drittel zum Opfer fallen sollen; das restliche Drittel würde dann zum Christentum bekehrt. Das gegenwärtige freundschaftliche Bündnis zwischen Christen und Juden sei nur ein Zwischenschritt, bevor die Christen in gewohnt antisemitischer Weise brutal gegen die Juden vorgehen wollen. Es geht nicht darum, dass alle Juden Zionisten wären – was ja die israelische Friedensbewegung unter Beweis stellt, ebenso wie manche orthodoxe Rabbis, die eine Auflösung Israels wollen und einen gesamtpalästinensischen Staat unterstützen, weil sie den atheistischen Zionismus ablehnen. Sie erwarten nicht die Ankunft Israels, sondern die Ankunft des Messias. Den Unabhängigkeitstag Israels begehen sie als Trauertag und arbeiten eng mit der palästinensischen PLO zusammen. Die erneut die Macht übernehmenden radikalen Siedler in Israel aber berufen sich auf die Geschichte, wie man sie auch in der Bibel nachlesen kann, und dort kann jeder die Abscheulichkeiten der Juden unter Gottes Befehl an nichtjüdischen Stämmen und Volksgruppen nachlesen. Es ist widerwärtig und ohne jegliche Moral, in welcher Weise da "geschlachtet" wurde. Josua, der damals Jericho stürmte, 31 Stammesführer verstümmelte und bei der Eroberung der Stadt Ai zwölftausend Frauen und Männer abschlachtete, ist heute das Vorbild der israelischen Armee. Ihr Gott Jahwe geht aber auch genauso gegen das eigene Volk vor, wie das Massakrieren der dreitausend Anbeter des Goldenen Kalbes, welche die Führerschaft Moses in Frage stellten, aufzeigt.
Die Propaganda westlicher "Krieg gegen den Terror"-Akteure wie Bush und Blair ist ähnlich wie früher jene gegen den Kommunismus. Es gibt auch tatsächlich viele Ähnlichkeiten zwischen Kommunismus und dem neuzeitlichen Islamismus. Beide haben den westlichen Kapitalismus und internationalen Wirtschaftsimperialismus als Gegner, beide zielen auf eine Weltrevolution, beide sind international und nicht nationalistisch ausgerichtet, beide berufen sich auf die Massen (die einen auf das Proletariat, die anderen auf die "Umma", die Gemeinschaft der Muslime). Der Unterschied ist, dass sich der Kommunismus an einer politischen Theorie orientiert, der Islamismus aber an einer politischen Theologie. Der Islamismus hat aber bei seiner Herausbildung Anleihen bei der kommunistischen Ideologie gemacht, hat sich einen dialektischen Denkstil zugelegt und eine internationale Revolutionstheorie entwickelt. Gegenwärtig verfügt er über eine effektive Agitprop-Erfahrung und hat viel von den kommunistisch gefärbten Guerillabewegungen der Dritten Welt gelernt. Trotz dieser Modernisierung leitet sich die Theorie aber dogmatisch aus der Tradition des Islam ab. Ihre Theoretiker konnten religiöse, archaische und mythisch-mystische Gesellschaftsentwürfe in einer modernen, rationalistischen Sprache darstellen. Waren es im letzten Jahrhundert noch Vertreter von Bruderschaften, die nach der Scharia lebten, geht es seit den Achtzigerjahren um den Heiligen Krieg für eine islamische Weltherrschaft. Vom Kommunismus unterscheidet sich dies darin, dass der Islamismus nicht in einer internationalen Partei organisiert ist; die vielen Gruppen werden nicht in einer "Islamistischen Internationale" präsentiert. Dennoch ist daraus mittlerweile eine weltweite Kulturströmung innerhalb des Islam geworden.
Al Qaida ist die einzige Organisation, die an eine Islamistische Internationale erinnern könnte, ist aber mit der Rolle der Kommunistischen Internationale dennoch nicht vergleichbar. Die gefährlichen Selbstmordattentate waren früher im Islam verboten, jedenfalls bei den Sunniten, der Mehrheit der Mohammedaner. Heutzutage werden solche Attentate viel häufiger durch Sunniten begangen als durch traditionelle Märtyrer-Operationen der Schiiten. Zu dieser Entwicklung haben die Israelis beigetragen, als sie in den 80er Jahren palästinensische Aufständige und Fatah-Kämpfer, die alle Sunniten waren, in den Libanon deportierten, wo diese in Kontakt zu der schiitischen Hisbollah traten. Aus dieser Begegnung entstand eine explosive Waffenbrüderschaft und Gesinnungsgemeinschaft, so dass der israelische Premier Yithak Rabin bekannte: "Wir haben den Schia-Geist aus der Flasche entlassen". Die Hamas und der Islamische Djihad exportierten in kürzester Zeit die Märtyrerideologie der Hisbollah. Seitdem gilt der Selbstmord auch bei Sunniten als ein religiöses Urereignis und Erfüllung der heiligen Schriften. Das Shabad (Martyrium) ist in allen islamischen Ländern zu einem umfassenden und aufregenden Kulturphänomen geworden. Psychologen bestätigen ein umfassendes Glücksgefühl, das entsteht, wenn es die Attentäter zerfetzt. Der Gesichtsausdruck kurz vor der Explosion zeigt das bassamat al-farah, das Lächeln der Freude. Wie Jesus "erscheinen" die Attentäter danach aus dem Jenseits ihren Verwandten und versichern, dass sie noch am Leben sind, weswegen das Ereignis auch nicht betrauert sondern gefeiert wird. Mütter brechen in Freudengeschrei aus. Die Attentäter seien ja jetzt für ewig im Himmel und könnten siebzig Familienmitglieder auswählen, die das Paradies ebenso betreten dürfen.
Das erste große Ereignis, das den Islam nach zweihundertjähriger Ohnmacht aufwachen ließ, war die iranische Revolution durch Sayyed Ruhollah Khomeni, der sich auch Ayatollah ("Zeichen Gottes") nennen durfte. Dieser bekämpfte im Iran-Irak-Krieg Saddam Hussein, der für ihn ein Handlanger der Amerikaner und Israelis war. Die Geschichte wird erst noch zeigen, wie verheerend und falsch für die Weltpolitik der Sturz Saddams durch die USA gewesen war. Khomeni war für Millionen von Muslimen die Erlöserfigur und der islamische Staat die Prophezeiung für das Erscheinen des Mahdi, des verborgenen Imam. Er war der Erste, der von den USA als "Satan USA" sprach. Es war das erste islamische Land, das den Islamismus internationalisieren wollte, mit dem Ziel einer einzigen Welt-Ordnung (Ommat) innerhalb eines andauernden Kampfes, um die entrechteten und unterdrückten Nationen der Welt zu befreien. Diese iranische Revolution hatte für den gesamten Islam den Charakter eines mythischen Primärereignisses. Sie war eines der bedeutendsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts und gab dem Islam sein Selbstbewusstsein zurück. Das Erscheinen des Mahdi ist in den Prophezeiungen allerdings auch mit der vollständigen Vernichtung der Juden verknüpft, die diesem Ereignis vorausgeht. Der Nahost-Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis wird deswegen zur Schicksalsfrage des gesamten Islams und der ganzen Welt hochstilisiert. In diesem Punkt treffen sich die islamischen Fundamentalisten mit den jüdischen und christlichen.
Damalige Staatstheorien im Iran wurden selbst von Philosophen wie Jean Paul Sartre als beste zeitgenössische Religionsmodelle verteidigt. Und der geistige Mentor von Osama Bin Laden, der saudische Scheich Safar al-Hawali, hat auch eine fundierte Kulturkritik des Westens vorgelegt, in der er ein kriegerisches und dekadentes Bild der westlichen Kultur und Historie zeichnet. Als barbarisch deklariert er unter anderem: den Kolonialismus und den Imperialismus, den Sklavenhandel, die Vernichtung der Indianer in Amerika, die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki, die Tötung von Frauen und Kindern in Afghanistan und im Irak. Angesichts dieser grausamen Geschichte und Gegenwart habe der Westen nicht das Recht, der übrigen Welt sein angebliches Wertesystem aufzupropfen, an das er sich selber nicht halte. Dagegen sei das muslimische Wertesystem das wahre Band, das die gesamte Menschheit umschließen könne und der allgemeine Nenner der positiven Facetten aller Kulturen. Die Menschenrechte, die Freiheit der Religionsausübung, Friedfertigkeit und Gerechtigkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Würde der Persönlichkeit, Recht auf Meinungsäußerung sei im Islam besser garantiert als in der westlichen Kultur. Denker wie Giordano Bruno und Galileo Galilei wären in einer muslimischen Gesellschaft niemals mundtot gemacht worden. Selbst die Juden hätten immer mehr Rechte in der islamischen Gesellschaft genossen als in der abendländischen. al-Hawali nimmt die Position eines an humanpolitischen Werten orientierten Kulturkritikers in Anspruch. Er sieht den Westen als religiöses System und kämpft gegen "Christen und Kreuzzügler", die das zweite Kommen Christi mit Atomwaffen herbeibomben wollen.
Der Irak-Krieg ist daher zweifelsfrei ein Religionskrieg. Sein Schüler Bin Laden und dessen al Qaida kämpfen daher auch zuerst gegen "Christen und Juden" und dann erst gegen westlichen Kapitalismus und die liberale Mediengesellschaft. Das Banner, unter dem Bush und Blair kämpfen, ist das Kreuz. Osama Bin Laden fordert aber auch die Aufrüstung der arabischen Welt mit Atombomben. Der zweite Mann in der al Qaida, der Ägypter Ayman al-Zawahri, sagt offen, dass seine Organisation bereits über Atomwaffen verfüge. Wenn man über dreißig Millionen Dollar verfügt, geht man einfach auf den schwarzen Markt in Zentralasien, kontaktiert dort irgendeinen der enttäuschten sowjetischen Wissenschaftler und erhält eine ganze Menge von Angeboten an smarten Aktentaschenbomben. Solche atomare Kofferbomben seien längst erworben. Osama Bin Laden gilt im Westen als losgelassener Teufel, als Instrument des Bösen. Das begrüßen die Mohammedaner, denn dadurch wird er in den Augen der Unterdrückten und Verdammten in der Welt umso mehr zum Helden. Im gegenwärtigen Spektrum der islamischen Führer gibt es niemand Vergleichbaren. Er ist der Einzige, der eine wirklich internationale Organisation aufgebaut hat, die überall in der Welt zuschlagen kann, und verfügt über große Gefolgschaft in der islamischen Welt bis hin zu den Immigranten-Generationen in Nordamerika, Europa und Australien. Obwohl er der Mastermind der schlimmsten Terrorattacke in der Geschichte war, ist seine Popularität in keiner Weise zurückgegangen. Für die Muslime hat er die Rolle eines Erlösers, eines mystischen Heiligen. Sein bisher nicht entdeckter Aufenthaltsort ist der mystische Ort der Verborgenheit, von wo aus er demnächst entweder selbst als Mahdi aufbricht oder von wo er zumindest das Kommen des muslimischen Mahdis vorbereitet. In ausgestrahlten Videoclips sieht man ihn vor einer Schrift in arabischer Sprache, die übersetzt besagt: "Der erwartete Erleuchtete". Seit 2001 lässt er sich zusätzlich Mohammed nennen, denn eines der Kennzeichen des Mahdi ist, dass dieser den Namen des Propheten trägt. Als Anti-Amerikaner ist er selbst für Nicht-Muslime der Dritten Welt zu einem charismatischen Sozialrebellen in der Nachfolge Che Guevaras geworden. Er ist eine internationale Kultfigur. Alle "Terror-Experten" sind sich einig, dass al-Qaida als zentrale und logistisch handelnde Organisation kaum noch existiert. Aber um so mehr wirkt sie als Ideologie, als Bewegung, als Mythos, als Symbol. Al Qaida ist zum islamischen Urbild geworden, mit bin Laden als optischem Mittelpunkt. Diesem neuen Archetyp gelingt es, immer neue Terrorgruppen aus sich heraus zu gebären, ohne diese selber organisieren und finanzieren zu müssen. Al Qaida selbst ist durch Waffen gar nicht angreifbar. Sie ist eine realitätsträchtige Imagination. Würde bin Laden getötet, täte dies dem Mythos keinen Abbruch, sondern würde diesen nur noch mehr steigern. Was sich in der politischen Welt in den letzten Jahren vollzieht, entspricht schon zum Großteil den islamischen Endzeit-Prophezeiungen. Der Afghanistan-Krieg und der darauf folgende Irak-Krieg wurden in den traditionellen Khurasan-Prophezeiungen vorhergesagt. Dort wird das Erscheinen des Mahdi aus den Grenzgebieten zwischen Iran und Afghanistan vorhergesagt, die früher den Namen Khurasan trugen. "Schwarze Banner werden aus Khurasan kommen. Keine Macht wird sie stoppen können, bis sie schließlich Jerusalem erreichen, wo sie ihre Flaggen hissen. Wenn du die schwarzen Banner siehst, die aus Richtung Khurasan kommen, dann schließ dich ihnen an, selbst wenn du kriechen musst, denn unter ihnen wird Allahs Kalif, der Mahdi, sein". Da Khurasan der Name für das heutige Afghanistan war, wurden die Taliban, die schwarze Turbane, weiße Gewänder und schwarze Fahnen trugen, von den Muslimen der Welt als Mahdi-Armee klassifiziert. Nach der Khurasan-Prophezeiung wird es dem muslimischen Messias gelingen, den Streit zwischen Sunniten und Schiiten zu beenden und "Millionen Mujaheddin, die schwarze Banner tragen, werden vom Iran und den unabhängigen islamischen Staaten der kollabierten Sowjetunion in die arabische Insel in Kolonnen von Fahrzeugen hinabfahren, mit keinerlei anderer Absicht, als dem Mahdi persönlich Gefolgschaft zu schwören, Hand in Hand und ohne Vermittler."
Tatsächlich hat die Festnahme Saddam Husseins durch die Amerikaner, die von allen islamischen Fundamentalisten begrüßt wird, es ermöglicht, dass sich jetzt al-Qaida und ehemalige Taliban-Anhänger in Bagdad treffen und dort neu gruppieren, um die Endzeit-Armee aufzubauen. Der Irak ist ein integraler Bestandteil der Mahdi-Prophezeiung. Hätte Saddam Hussein seine Herrschaft fortgesetzt, wäre er zu einem Widersacher des Mahdi geworden. Im Irak sind gegenwärtig zwei bedeutende Fundamentalisten-Führer am Wirken. Dies ist einen der Jordanier Abu Musab al-Zarqawi, der mit den Palästinensern gegen das jordanische Königshaus agierte und am Krieg gegen die Sowjetbesatzer in Afghanistan teilnahm. In Pakistan baute er seine eigene Djihad-Organisation auf, die auch in Europa über ein großes Netzwerk verfügt. Kurz hielt er sich dann im Iran auf, organisierte die Ermordung des amerikanischen Botschafters Laurence Foley in Jordanien und ging dann in den Irak, wo er vor allem durch die schockierenden Videos seiner Organisation Aufmerksamkeit erlangt, in denen Geiseln um ihr Leben bitten, bevor sie enthauptet werden. Zuerst agierte er unter eigenem Namen, aber 2004 schloss er sich der al-Qaida an und wurde von bin Laden als militärischer Führer für das Land der beiden Flüsse, Irak, bestätigt. Er gehört zu den Sunniten und sieht in den Schiiten seine traditionellen Erbfeinde, die er ebenso bekämpft wie die Kreuzzügler. Der zweite gefährliche Mann im Irak ist Muqtada al-Sadr, allerdings ist dieser radikaler Schiitenführer. Seine Miliz trägt den Namen Mahdi-Armee und diese tragen wie die afghanische Taliban entsprechend der Khurasan-Prophezeiung schwarze Turbane und schwenken schwarze Fahnen. Er will Befreiung, Friede und Gerechtigkeit für sein Volk und gilt auch bei engagierten Muslimen im Westen als eine Figur wie Jeanne d`Arc, ebenso wie sie ist er Soldat und Heiliger. Nach den Kämpfen mit den Amerikanern, wo er als Terrorist galt, versucht er derzeit auf legale Weise in der irakischen Politik mitzumischen. Durch die politischen Änderungen im Iran kann sich das alles aber auch ganz schnell wieder ändern. Entgegen den Prophezeiungen ist es bislang aber nicht gelungen, dass der kommende Mahdi Sunniten und Schiiten vereinigen würde. Zumindest im Irak und in Pakistan sind die alten Konflikte zwischen beiden Gruppierungen wieder voll ausgebrochen.
Die von Scheich Achmed Yassin gegründete palästinensische Hammas, ein Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft, gilt ebenso als Endzeit-Armee des Mahdi. Sie war schon immer die militant-islamische Alternative zur PLO und hat diese in den jüngsten Wahlen (Januar 2006) der Macht beraubt. Im Gegensatz zur PLO sieht sie den Israel-Konflikt nicht als politisches, sondern als religiöses Phänomen. Sie treten für die theokratische Staatsform (Scharia) mit dem Koran als eigentlicher Verfassung ein und für den Djihad als religiöse Pflicht für jeden Muslim. Das edelste Mittel dabei sind die Märtyrer-Operationen. Die Hamas-Charta fordert die Absage an alle internationalen Konferenzen und Verhandlungen, die sich kompromissbereit mit der Landfrage in Palästina auseinander setzen. Sie wollen die vollkommene Vernichtung Israels. Ihre Statements sind der Spiegel zur radikalen israelischen Siedler-Position – keine Kompromisse im Kampf der Endzeit-Apokalypse. Mit ihrem Machtantritt sehen sie das Auferstehen des Mahdi näher gerückt.
Als im Sommer 2005 Mohammed Ahmadinejad überraschenderweise zum neuen Staatschef des Irans gewählt wurde, jubelte ebenso der fundamentalistische Islam. Sein Wille, sein Land Atommacht werden zu lassen, und die Zeichen dafür, dass er eventuell schon über Atombomben verfügt – jedenfalls verfügt er bereits über Langstreckenraketen, die Städte Mitteleuropas erreichen können –, liegen ganz im Sinne der islamischen Weltrevolution. Auch dass die Schiiten im benachbarten Irak die Mehrheit der Bevölkerung stellen, macht das Ende des Iran-Irak-Konfliktes möglich; die Verteidigungsminister der beiden Länder (Iran und Irak) haben sich auch schon unter misstrauischen Blicken des Westens getroffen, um über eine robuste militärische Kooperation zu verhandeln. Ahmadinejad will die Ungerechtigkeiten in der Welt ausrotten und eine Welle islamischer Revolutionen in der ganzen Welt entfachen.
Sofort nach seiner Wahl als Präsident empfing er den Generalssekretär der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah. Die Hisbollah ist die bekannteste schiitische Widerstandsorganisation, deren Hauptziel die Bekämpfung Israels ist. Die Hisbollah, wurde obwohl aus Libanesen bestehend, 1982 durch den Iran gegründet und proklamiert eine islamische Republik nach dem Vorbild Irans. Trainiert wurde sie von den Revolutionären Garden Khomenis. Als Partei Allahs (Hisbollah) kämpfen sie gegen die Partei Satans. Sie haben in ihrer ganzen Geschichte keinen eigenständigen Kurs verfolgt, sondern befolgen vollkommen die Anweisungen aus dem Iran. Sie waren die ersten, die das Konzept der Märtyrer-Operationen in den radikalen Islam verankerten. Sie sind derzeit zwar friedlicher aufgetreten, aber sie warten auf die Direktiven aus Teheran.
In Europa bleibt die von Bassam Tibi konzipierte Vision des "Euro-Islams" zwischen Tradition und europäischer Aufklärung leider aus, sie stößt bei den Immigranten auf wenig Zustimmung. Stattdessen entwickelt sich eine Symbiose des radikalen Islam mit den totalitären und nihilistischen Kulturströmungen des alten Europa. Der radikale Islam hatte sich ursprünglich ja auch sehr von den erstmals in Europa formulierten Revolutionstheorien stark beeinflussen lassen. Die Euro-Djhads machen Anleihen bei der revolutionären Linken. Das radikalisierte Jugendmilieu ist vergleichbar mit der 68er Revolte. Diese Jugendlichen sind keine vom Nahen Osten gesteuerte Gruppe mehr, sondern junge Muslime, die im Westen geboren, aufgewachsen und mit der westlichen Denkart vertraut sind. Sie nehmen denselben Platz ein, den die Proletarische Linke vor 30 Jahren inne hatte und die Direkte Aktion vor 20 Jahren. Sie leben in einer militanten Realität, die von der extremen Linken verlassen wurde, und wollen das System zerstören. Dass theoretische Kombinationen zwischen europäischem Existenzialismus und Islamismus möglich sind, zeigte sich schon, als Jean Paul Sartre bestimmte iranische Theoretiker wie Ali Schariati als den Höhepunkt einer modernen, revolutionären Religionsphilosophie lobte. Aufgrund der "Judenfrage" ist eine Symbiose aber genauso auch mit der radikalen Rechten möglich. Bei beiden steht die Vernichtung der Juden ganz oben auf dem Programm. Weitere Berührungspunkte sind apokalyptisch orientiertes Krieger-Ethos, dessen Grundlage von Julius Evola geschaffen wurde, der sich dabei an den indogermanischen Kriegertraditionen der Kshatriya-Kaste und den japanischen Samurai orientierte. Der Heilige Krieg und der Heilige Krieger stehen im Zentrum dieser wie auch der islamischen Philosophie.
Ob die Apokalypse abläuft wie von allen drei abrahamitischen Religionen vorhergesagt, wird nun das Verhalten der in Palästina an die Macht gekommenen Hamas ausmachen, mit denen unbedingt Verhandlungen geführt werden müssten. Dass sie sich ansonsten mit der libanesischen Hisbollah vereinigen wird, liegt auf der Hand; ebenso, dass dann der Iran zuschlagen will, um Israel zu vernichten, dass dann in Ägypten die Muslimbruderschaften die Regierung stürzen werden, dass dies Nachahmer in anderen arabischen Ländern nach sich zieht. Die politische Lage ist wie über Nacht derzeit tatsächlich zu einem religiösen Krieg mutiert, wie die nicht mehr zu kontrollierenden Massenunruhen in der gesamten arabischen Welt (aufgrund den Islam verunglimpfender Karikaturen in europäischen Zeitungen, Februar 2006) deutlich zeigen. Dabei sind die Guten und die Bösen in der aktuellen Weltpolitik lediglich einander bekämpfende Brüder einer kranken monotheistischen abrahamitischen Religion, denen es ums Gleiche geht, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Alarmierend ist, dass sich dabei eine zunehmende Eigendynamik entwickelt, in der sich die verschiedenen islamischen, christlichen und jüdischen Fraktionen gegenseitig hochschaukeln. Die biblischen Prophezeiungen könnten sich aus sich selbst heraus erfüllen. Eiferer jeder der drei monotheistischen Religionen sind dabei, eine Reaktion von Schlag, Gegenschlag und Massenvernichtung auszulösen. Der apokalyptische Wahn kann unseren Planeten in Schutt und Asche bomben.
Aus dieser gefährlichen Perspektive heraus gesehen, stellen die Bücher von Victor und Victoria Trimondi – um an den Anfang der Inhaltsbeschreibung zurückzukehren – eine unverzichtbare Analyse und Bewertung von Endzeit-Apokalypsen in bestehenden Religionsformen dar. Das neueste Werk ist dabei der aktuellen Realität am entsprechendsten. Aber im Zusammenhang erscheint es dann durchaus notwendig, alle Religionen dahingehend zu untersuchen, denn es ist eine vordringliche Aufgabe der Aufklärung und des Humanismus, die Menschen vor der Destruktion des religiösen Wahns zu schützen. Aus dieser Perspektive heraus ergeben nunmehr alle drei Bände Sinn, wenn man sie im Zusammenhang dieser Forschung betrachtet.
Victor und Victoria Trimondi Krieg der Religionen Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse 597 Seiten, Hardcover, Wilhelm Fink Verlag, Dezember 2005 ISBN 3-7705-4188-X
============ ~nora~ "Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust; ich sing und mach auf Erden kund, was mir von dir bewußt (..)" v. Paul Gerhardt Galater 5,1: "Für die Freiheit hat uns Christus befreit; so stehet nun fest und lasset euch nicht wieder in ein Joch der Knechtschaft spannen!" http://nightstop.net.ms
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