Denn so sehr hat
Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn
glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.Johannes
3,16
Als am 9. November 1938 überall in Deutschland die Synagogen angezündet wurden, da unterstrich Dietrich Bonhoeffer in seiner Bibel Psalm 74,8: „Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Lande“. Daneben setzte er das Datum: 9.11.1938.
Das Wüten der Nazis gegen die Juden war für Bonhoeffer kein politischer Akt. Er sah darin den Ausdruck des tiefsten Gotteshasses. Antisemitismus war nichts anderes als Auflehnung gegen den Gott der Bibel. Sein Mitstreiter in der Bekennenden Kirche, der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann, sagte nach dem Zweiten Weltkrieg: „Antisemitismus ist immer höchste Alarmstufe. Mit ihm werden Bezirke betreten, vor denen die Warntafel steht: Gott läßt sich nicht spotten!“ Das Niederbrennen der Synagogen war nicht weniger als ein Versuch, den Gott der Bibel aus dem Dritten Reich zu vertreiben, und Platz zu schaffen für neue Götter. An ihrer Spitze stand der „deutsche Messias“ Adolf Hitler.
Antisemitismus als Feindschaft gegenüber den Juden ist sehr alt. Bereits die Antike kennt feindselige und haßerfüllte Einstellungen dem Gottesvolk gegenüber. Die Antisemiten zielten darauf hin, die Juden zu isolieren, zu stigmatisieren, sie zu vertreiben und/oder zu vernichten.
Der moderne Antisemitismus, der mit entsprechenden Publikationen um 1880 einsetzte, strebte gleich nur die physische Vernichtung der Juden an. Jetzt tauchten im Zuge des darwinistischen Weltbildes nur noch biologisch-rassische Argumente gegen die Juden auf. Mit der Bestimmung des Judentums als eigenständige Rasse, ergab sich eine grundlegende Veränderung. „Bisher hatte man das Judentum allgemein als Religion und seine Anhänger als der Gruppe der Weißen zugehörig angesehen“ (Leon Poliakov). Das biologische Fundament des neuen Antisemitismus ließ keine Emanzipation oder Assimilierung der Juden zu. Ob getauft oder nicht, ob praktizierender Jude oder Atheist – der Jude blieb biologisch-rassisch der „ewige“ Jude. Er hatte keine Chance mehr, diesem Stigma zu entkommen.
Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 wurde dieser Ausrottungsantisemitismus eine staatliche Basis. Mit den Nürnberger Rassegesetzen 1935 erhielt die Diskriminierung der Juden einen quasilegalen Anstrich. Sie wurden aus Gesellschaft ausgeschlossen. In mehreren Stufen steigerte sich die Judenverfolgung in Deutschland, bis hin zur „Endlösung“ in den Gaskammern der Konzentrationslager.
Die Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ versuchte, die Grundsätze nationalsozialistischer Ideologie auch in der Evangelischen Kirche zu verankern. Zu ihren Zielen zählte die „Entjudung“ des Gesangbuchs durch Streichung aller jüdischen Begriffe wie Jehova, Israel, Zion und Zebaoth. Das Alte Testament sollte revidiert bzw. ganz abgeschafft werden. Auf einer Kundgebung der Deutschen Christen im November 1933 forderten sie die „Befreiung vom Alten Testament mit seiner jüdischen Lohnmoral“, die Entfernung „aller offenbar entstellten und abergläubischen Berichte des Neuen Testamentes“ und den Verzicht auf die „Sündenbock- und Minderwertigkeitstheologie“ des Apostel Paulus. Die „Rückkehr zu einem heldischen Jesus“ sollte den Gekreuzigten Jesus ablösen. Daß Jesus niemals Jude gewesen sei konnte, sondern nur ein Arier war selbstverständlich.
Von 1933-1935 gab es Boykotte jüdischer Geschäfte, gewalttätige Ausschreitungen gegen jüdische Bürger und erste rechtliche Bestimmungen zu deren Ausgrenzung. Juden durften nicht mehr Beamte werden, bei Presse, Film, Funk und Theater durften Juden nicht mehr angestellt werden. Mit den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 wurde Juden die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Eheschließungen zwischen Deutschen und Juden waren verboten. Im Jahre 1938 mußten jüdische Bürger zwangsweise die Vornamen Israel bzw. Sara tragen. Im November 1938 erlebte Deutschland den vorläufigen Höhepunkt der Hetze: im ganzen Reich brannten die Synagogen und viele Juden wurden in die KZ’s eingeliefert. 119 Synagogen wurden in Brand gesteckt und 20.000 Juden verhaftet. Ab Dezember 1941 kam die äußere Stigmatisierung: alle Juden wurden gezwungen deutlich sichtbar den gelben Davidstern auf ihrer Kleidung zu tragen. Etwa 1.700 Rechtsvorschriften regelten die Demütigungen und Schikanen den Juden gegenüber.
Verboten war z. B. der Ankauf von Büchern, Besuch von Ausstellungen, Theatern und Kinos, Benutzung von Kraftwagen, öffentlichen Fernsprechern, Betreten von Gaststätten, Benutzung von Sitzplätzen in Öffentlichen Verkehrsmitteln (soweit von Nicht-Juden benötigt), von Parkbänken, die nicht gelb gestrichen waren, Betreten von Bahnhöfen, Wartesälen und Bahnanlagen sowie von Wäldern, Halten von Haustieren, Inanspruchnahme von Ärzten (außer jüdischen Medizinern), Mitgliedschaft in Privatversicherungen, Schulbesuch, Verlassen der Wohngemeinden (außer mit besonderer Genehmigung), nächtliches Verlassen der Wohnungen, Zeitungsverkauf und -bezug u. a.; vorgeschrieben waren Ablieferung elektrischer und optischer Geräte von Gebrauchs- und Wertgegenständen, aber auch besondere Einkaufszeiten, getrennte Luftschutzräume etc. etc. Ab Oktober 1941 begann die Deportation der Juden Europas in die Vernichtungslager im Osten. Zu Millionen wurden jüdische Menschen vergast, erschossen und erhängt. Männer, Frauen, Kinder, junge und alte ohne Ausnahme.
Bonhoeffer war nicht bereit, aus einer primitiven, vulgärlutherischen Zwei-Reiche-Lehre dem Staat alles zuzugestehen, so lange der sich nur nicht in kirchliche Belange einmischte. Nicht wenige, international anerkannte lutherische Theologen, sahen keinen Hinderungsgrund, die Judengesetzgebung des NS-Staats zu legitimieren. In seinem Bereich durfte der Staat ihrer Meinung nach Gesetze nach seinen Wünschen einsetzen. Bonhoeffer dagegen verlangte, daß jeder Staat am Kriterium der Rechtsstaatlichkeit gemessen würde. Eine völlige Selbstständigkeit hatte der politische Raum nicht. Der NS-Staat überschritt in der Rassegesetzgebung das ihm von Gott erteilte Mandat. Niemand anders als die Kirche, die um Gottes Gebote weiß, ist hier aufgefordert, die staatlichen Beamten zur Ordnung zu rufen. Die Kirche darf hierbei den Konflikt nicht scheuen. Die Kirche muß für die ausgegrenzten Juden einstehen und zwar um des Staates willen. Nur so kann er seine Rechtsstaatlichkeit erhalten, nur so kann der Staat im Sinne Gottes handeln. Bei seinem Vortrag „Die Kirche vor der Judenfrage“ verließen einige Hörer verärgert den Saal. Bonhoeffer hatte auf die Pflicht der Kirche hingewiesen, den Staat immer wieder danach zu fragen, ob sein Handeln von ihm als legitimes staatliches Handeln verantwortet werden könne, d.h. als Handeln, in dem Recht und Ordnung, nicht Rechtlosigkeit und Unordnung geschaffen werden.
In seiner „Ethik“ verwies Bonhoeffer noch einmal darauf, daß Jesus selbst Jude war. In der NSIdeologie war darauf bedacht zu beweisen, daß Jesus Arier, germanischer Abstammung gewesen sein mußte. Das Abendland war nach Bonhoeffer unlöslich mit dem Volk Israel verbunden – durch Jesus Christus. „Eine Verstoßung der Juden aus dem Abendland“ mahnte Bonhoeffer, „muß die Verstoßung Christi nach sich ziehen; denn Jesus Christus war Jude.“ Die Kirche und das Abendland ist nach Bonhoeffer auf unkündbare Weise mit dem Gottesvolk Israel verbunden. Wie kann die Kirche also stumm bleiben, wenn Juden diskriminiert und entrechtet werden? In einem Bonmot brachte Bonhoeffer die Einstellung auf den Punkt: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.“
Bonhoeffer empfand sein Handeln für die Juden als zu gering. „Ich bin schuldig des feigen Verstummens, wo ich hätte reden sollen“, schrieb er 1941. „Ich bin schuldig der Unwahrhaftigkeit und der Heuchelei angesichts der Gewalt, ich bin schuldig der Unbarmherzigkeit und der Verleugnung meiner ärmsten Brüder.“ Damit waren die Juden gemeint und zwar die getauften wie die ungetauften. Sich der Vernichtung der jüdischen Bürger nicht entschiedener widersetzt zu haben, empfand der Theologe Bonhoeffer als seine Schuld – und als die Schuld der Christenheit insgesamt. Der Historiker Hans Mommsen hebt die Bedeutung Bonhoeffers in der Judenfrage hervor. Denn auch im Widerstand wurde die Judenverfolgung weitgehend ignoriert. Nicht so bei Bonhoeffer, er bildet hier eine klare Ausnahme.
Ein anderes Problem war die Lage der Judenchristen. Die Nationalsozialisten verlangten von den Kirchen, die Rassegesetze auch in ihren Reihen umzusetzen. Getaufte Juden sollten also in der Kirche schlechter behandelt werden als Deutsche. Ämter sollten ihnen vorenthalten werden, Deutsche und getaufte Juden im Kirchenraum getrennt sitzen, am besten gar keine gemeinsamen Gottesdienste feiern. Einige Theologen forderten gar eine eigene, separate jüdisch-christliche Kirche für getaufte Juden. Sogenannte„braune Synoden“ verabschiedeten im Jahr 1933 einen kircheninternen Arierparagraphen. Er lautete: „Wer nicht arischer Abstammung oder mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet ist, darf nicht als Geistlicher und Beamter der allgemeinen kirchlichen Verwaltung berufen werden. Geistliche und Beamte arischer Abstammung, die mit einer Person nichtarischer Abstammung die Ehe eingehen, sind zu entlassen.“ Synodale die sich dagegen wendeten, weltliche Gesetze in die Kirchenbestimmungen aufzunehmen, wurden niedergeschrieen. Die Zusage Gottes, mit der Taufe der christlichen Gemeinschaft anzugehören, wurde nun von einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse abhängig gemacht.
Das ging ans Innerste des Kirchenverständnisses. Bonhoeffer machte deutlich: Kirche ist nur da wirklich Kirche, wo Jude und Deutscher zusammen unter dem Wort Gottes stehen. Kirche kennt in ihren Reihen keine rassischen Abstufungen. „Der Ausschluß der Judenchristen aus der kirchlichen Gemeinschaft zerstört die Substanz der Kirche Christi“, schrieb Bonhoeffer in einem Gutachten. „Die Rasse, das Blut ist eine unter den Ordnungen, in die die Kirche eintritt, aber sie darf nie Kriterium für die Zugehörigkeit zur Kirche sein, dies ist allein das Wort Gottes und der Glaube.“ Er warnte eindringlich davor, hier Kompromisse einzugehen um angeblich „höhere Interessen“ der Kirche zu wahren. „Es kann sein, daß die Kirche um der tausend gläubigen Judenchristen willen, die sie nicht opfern darf, Millionen nicht gewinnt. Aber was wäre auch ein Gewinn von Millionen, wenn er auf Kosten der Wahrheit und Liebe gegen einen einzigen erkauft werden müßte?“
In dieser Frage durfte es kein Wanken, um nicht die ganze Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit des neutestamentlichten Anspruchs zu verlieren. Die evangelischen Christen forderte Bonhoeffer auf, „eher sich selbst der Verfolgung auszusetzen, als die durch Wort und Sakrament gestiftete kirchliche Bruderschaft mit dem Judenchristen freiwillig oder gezwungen auch nur in einer einzigen Beziehung preiszugeben.“ (M.H.)
„Wenn die Apostel, die auch Juden waren, also hätten mit uns Heiden gehandelt wie wir Heiden mit den Juden, es wäre nie einer von den Heiden Christ geworden. Haben sie denn mit uns Heiden so brüderlich gehandelt, so sollen wir wiederum brüderlich mit den Juden handeln.“ Martin Luther, Daß Jesus ein geborener Jude sei
Galater 5,1 Für die Freiheit hat uns Christus befreit; so stehet nun fest und lasset euch nicht wieder in ein Joch der Knechtschaft spannen! http://nightstop.net.ms
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